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War es das wert?

Sie haben ihr Ziel so gut wie erreicht. Die Rebell_innen stehen in der Hauptstadt, Muammar al Gaddafi ist vermutlich schon geflohen. Ein weiterer Krieg gegen den nur wenig Protest auflebte, geht vorläufig zu ende. Nur wenige Stimmen wie die pazifistische Graswurzelrevolution haben von Anfang an den militärischen Einsatz der NATO kritisiert, ohne Seite mit Gaddafi zu beziehen. Doch die Toten stellen uns die Frage: War es das wert?

Allem Anschein nach soll eine demokratische Regierung eingerichtet werden, zumindest ließ dies der Rat der Rebell_innen verlauten. Sicher ist dies noch nicht, immerhin wurden Menschenrechtsverletzungen durch die Rebell_innen vermerkt. Der Blick zu den anderen nordafrikanischen Revolutionen stiftet keine Hoffnung. Und Demokratie nach westlichem Muster ist noch nicht das letzte Wort der Freiheit. Aber Gaddafi musste vertrieben werden, um überhaupt die Möglichkeit für mehr Freiheit zu schaffen. Doch war dieses etwas mehr an möglicher demokratischer Freiheit einen Krieg unter Einsatz der Nato wert? Dieser Krieg war für Gaddafi in dieser Form nur möglich dank der jahrelangen Politik der europäischen Regierungen. Das Interesse der westlichen Metropolen an demokratischen Freiheit für die Bevölkerung war die längste Zeit wesentlich geringer als das Interesse für das blutige Öl Gaddafis. Auch der Eingriff der NATO war wohl nicht frei von finanziellen und machtpolitischen Überlegungen. Es herrschte ein Staatsinteresse an einer stabilen Regierung, welche nicht derart sprunghaft agiert.

Bei all diesem Treiben der westlichen Regierungen, sollte nicht die kaum glorreicherer Rolle der Linken, auch der radikalen Linken, außenvorgelassen werden. Gerade die antiimperialistisch marxistische Linke hatte den Diktator die Treue gehalten, bzw. tut dies zum Teil immer noch. Weder seine Verbindungen zu fragwürdigsten Terroranschlägen, noch sein offener Antisemitismus konnten daran viel ändern. Erst die Öffnung gegen Westen enttäuschte diese "Unterstützer_innen". Obwohl einzelne Personen und Gruppen bereits beginnen dem Regime nachzutrauern. Nein, wahrlich kein Ruhmesblatt. Die Linke hat also ebenfalls nichts dazu beigetragen, diesen Krieg in irgendeiner Form abzuschwächen oder die Unterdrückung zu verkürzen. Auch libysche Waren hätten boykottiert werden können, nicht nur jene eines gewissen Landes. Zugegebenermaßen hätte dies unter den derzeitigen Verhältnissen wahrscheinlich wenig geändert, doch je weniger die Anstrengungen, desto unwahrscheinlicher wird es. Fakt bleibt: Die zivile Bevölkerung musste und muss sich den ungedämpften Kampfhandlungen aussetzen, welche für die Metropole Mittel zum Zweck bildet.

Ob diese Kampfhandlung und die Toten die gewonnene Teilfreiheit wirklich wert war, kann nur die in Libyen lebende Bevölkerung entscheiden, und wohl auch das erst in geraumer Zeit. Auf jeden Fall aber war die Möglichkeit von demokratische Freiheit wesentlich teurer erkauft als notwendig, wenn die westlichen Regierungen Politik betrieben hätten. Diese sind wieder einmal nur den nationalen Scheininteressen gefolgt.