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Die Pärchenlüge

Im Moment wird landauf, landab über das Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare diskutiert. Hier fallen mir gleich zahlreiche Gedanken zu einer recht absurden Diskussion ein:

Absurd zum Ersten:

74 Prozent der Deutschen sind für eine komplette Gleichstellung homo- und heterosexueller Paare, aber im Parlament sehen die Verhältnisse anders aus. Gerade die CDU/CSU, die nicht müde wird, sich als "Volkspartei" zu bezeichnen, tut sich hier besonders schwer.

Absurd zum Zweiten:

Irgendwie scheint die Homophobie in Deutschland eine Art Schein-Problem zu sein. Verglichen mit anderen Formen der Diskriminierung (Rassismus, Antisemitismus, Sexismus) hat die Homphobie fast schon eine Sonderstellung; vom Mechanismus her funktioniert sie im Vergleich zu den anderen geradezu gegenteilig:

Bei den meisten Diskriminierungsmustern ist es so, dass die Leute etwas denken, ihre Vorurteile haben, aber, entsprechend den gesellschaftlichen Gepflogenheiten, anders reden. Und wenn doch mal ein Vorturteil verbalisiert wird, so wird es oft mit vorgeschobenen Argumenten "begründet" (so hat man z.B. nichts gegen den schwarzen Nachbarn wegen seiner Hautfarbe, sondern weil er laut ist. Selbst wenn man ihn nie gehört hat).

Bei der Homophobie hingegen, scheint das Gegenteil der Fall zu sein: vermutlich hatte fast jeder Mensch wohl schon einmal homoerotische Phantasien oder gar (heimliche) Erlebnisse, fühlt sich von den Geschlechtsteilen des eigenen Geschlechts angezogen, trägt es aber nicht nach außen. (Im Übrigen kommt Homoesxualität auch in der Tierwelt zu häufig vor, um einfach nur Zufall zu sein. Warum sollte das bei Menschen anders sein?). Es scheint hier sogar so, als wäre unterdrückte Homosexualität eines der häufigsten Muster bei Homophobie. Es ist wohl auch kein Zufall, dass Homophobie, gerade in Metiers verstärkt vorkommt, in denen der männliche Körper von anderen Männern besonders gehuldigt wird, ja wo es geradezu einen Männlichkeitskult gibt (im Fußball, bei der Armee, bei Nazis ...), vermutlich gerade, um dem Vorwurf des "Schwul-Seins" oder des "Bi-Seins" vorzubeugen.

Meine These, platt verkürzt:
Rassismus/Antisemitismus/Sexismus/Antiziganismus, u.W.: viele sind es; kaum jemand gibt es zu.
Homsexualität: die meisten haben das Verlangen, viele tun so, als hätten sie was dagegen. Wenn aber viele Menschen auf "die Schwulen" oder "die Lesben" schimpfen, ist es dennoch im Umlauf und wird ernst genommen, egal, ob es der Absender wirklich so meinte oder nicht. Egal, ob er nicht vielleicht selbst Angst hat, schwul zu sein und es konstruiert. Daher nannte ich Homophobie eingangs ein "Schein-Problem". Dass es aber dennoch sehr real wirkt und unterdrückt, steht hier selbstverständlich außer Frage.

Absurd zum Dritten:

Besonders anachronistisch erscheint mir diese Diskussion aber, bezüglich der privilegierten  Rolle der Ehe, welche einfach nicht hinterfragt wird. Dabei meine ich u.a. das Ehegattensplitting, also die steuerliche Begünstigung für eine gewisse Form des Zusammenlebens, aber auch das Adoptionsrecht, u.Ä. Diese Gesetze benachteiligen alle anderen Formen des Zusammenlebens – nicht nur homsexuelle.

Wenn sich homosexuelle Paare gegen diese Diskriminierung wehren und sich, schrittweise, dieselben Rechte, wie die der heterosexuellen Paare, erkämpfen, nimmt das dem eigentlichen Problem lediglich die Spitze; aber nicht mehr. Die eigentliche Dreistigkeit liegt doch darin, dass sich der Staat überhaupt darin einmischt, wie die Menschen leben und dadurch (indirekt), wie deren Sexualität aussieht!

–> Warum Paare? Warum zweigeschlechtlich? Warum heterosexuell? Und nochmal: warum Paare?


Kommentare

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Diese These, dass homosexuelle Neigungen weiter verbreitet sind, als es zugegeben wird, ist wohl nur sehr schwierig im wissenschaftlichen Sinne zu "beweisen", da es fast unmöglich sein dürfte, dies mittels Umfragen, etc. zu stützen. Siehe dies einfach als These, die auf Erfahrungswerten fusst. Das Gegenteil erscheint unwarscheinlicher und wäre ebenso unmöglich zu beweisen. Diese 'Erfahrungen' resultieren aus meiner eigenen Jugend, sowie Gesprächen mit anderen Menschen, die in einem gewissen Alter ebenfalls entsprechende Sprüche kloppften.

Natürlich sind wohl alle Resentiments schwierige Konstrukte, die ständig neu konstruiert werden müssen, was in diesem Artikel übrigens erwähnt wird. Der qualitative Unterschied bei der Homophobie, ist aber, meiner Meinung nach, dass diese vollkomommen durch die Verbalisierung zu entstehen scheint. Man braucht keine Resentiments um homophob zu sein, man muss nichts gegen Homosexuelle haben, sondern es nur sagen (im Gegensatz zu z.B. Rassimus oder Antisemitismus, wo die Vorurtteile oft verheimlicht und eben nicht verbalisiert werden). Vermutlich ist das in den allermeisten Fällen so: je faszinierter man vom eigenen Geschlecht ist, desto größer scheint die artikulierte Homophobie zu sein.

Vernutlich ist auch dies der Lösungsansatz: nicht das Prädigen der Toleranz scheint in diesem Fall der Schlüssel zu sein, sondern sich für die eigene Sexualität nicht schämen zu müssen. Das könnte den Verlangen, einen Hass zu erfinden, der dann nach außen transportiert wird, entgegenwirken.

Also zu meiner These: Homophobie wird nicht durch die Verbalisierung VERSTÄRKT (wie andere Diskriminierungen), sondern ENTSTEHT dadurch. Das habe ich eigentlich so in dem Artikel ausgeführt. So komme ich auch auf die Bezeichnung "Scheinproblem", weil wohl die wenigsten wirklich ein "Problem" mit der Homosexualität ANDERER hat, aber so redet; vermutlich um von SICH SELBST abzulenken. Mit diesem Begriff hatte ich nie vor zu provozieren. Wenn es jetzt aber doch zur Folge haben sollte, dass sich Menschen, durch diese Wortwahl, mit diesen These auseinandersetzen, soll mir das nur recht sein.

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Ich habe einige inhaltliche Probleme mit dem Text:
Deine These, dass eigene homoerotische Anteile unterdrückt werden und dann als Ressentiment zurückkehren ist als Hypothese durchaus verbreitet. Ich würde ja gerne mal eine Studie (dürfte dann wohl eher qualitativ als quantiativ sein) lesen, wenn da jemensch was in die Richtung weiß, bitte sagen.
Problematisch halte ich aber deine These, dass dies ein Unterscheidungsmerkmal von anderen Unterdrückungszusammenhängen (Rassismus, Sexismus etc.) sein soll. Aber nicht nur Heterosexualität ist ein fragiles, prekäres Konstrukt, dass ständig neu erzeugt werden muss durch unsere Praxen, sondern auch Ethnizität und Geschlecht etc. Ich denke mal die Arbeiten von Judith Butler sind da die einschlägigsten Arbeiten zu, bezüglich Ethnizität siehe etwa diesen Artikel http://thesocietypages.org/socimages/2012/07/19/skin-tone-and-the-arbitr... .

Zudem sehe ich eine Schwierigkeit bei der Frage, was eine homosexuelle Handlung sein soll, ähnlich wie beim Thema, was eine weibliche sei.

Die These ließe sich also meines Erachtens verallgemeinern zu: Unterdrückungshandlungen dienen oft dazu die eigene prekäre Identität stabilisieren.

Ich finde es zudem problematisch von einem "Schein-Problem" zu reden, auch wenn du das später so erklärst, dass der problematische Aspekt wegfällt. Einen derart verwirrend-provokanten Begriff würde ich nur dann verwenden, wenn dies eien weiteren Zweck erfüllt, der mir jetzt aber nicht klar wurde.

Gut finde ich den dritten Punkt, da er die Perspektive im anarchistiche Sinne ergänzt. Könnte aber auch noch erweitert und weiter gedacht werden.