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Making Connections

Namenskärtchen zum Anheften, Präsentationen wissenschaftlicher "Papers" und  sogar einen Kulgelschreiber des „Center for the Study of International Governance“. Sehr professionell im akademischen Sinne mutete die „Anarchist Studies Network Conference 2.0“, mit dem einladenden Titel „Making Connections“, an. Über 100 Personen waren dem Ruf zur Loughborough University (UK) gefolgt, um vom dritten bis zum fünften September am dichten Programm von Workshops, runden Tischen und vor allem Präsentationen beizuwohnen.

Das Publikum war akademisch dominiert, wobei die Konferenz eindeutig nicht nach dem üblichen universitären Muster abgelaufen ist. Dennoch ist hier wohl der erste Kritikpunkt angebracht, denn der akademische Habitus kann ausschließend wirken. Zum Beispiel eben dadurch, dass Wörter wie Habitus als gegeben vorausgesetzt werden. Aus einem zynischen Blickwinkel könnte die Konferenz als das Treffen der „Elite des Anarchismus“ erscheinen, wo sich Sesselwärmer_innen der Bewegung treffen, um sich ihre eigenen Theorien gegenseitig zu loben. Gegen diese allzu verächtliche Betrachtung spricht jedoch die angestrebte Offenheit, sowie der Versuch das akademisierte Wissen nicht im eigenen Kreis zu behalten, sondern möglichst weiterzugeben. Peinlicherweise scheint die Verbindung zwischen akademischen Anarchist_innen und der breiteren anarchistischen Bewegung wirklich mangelhaft zu sein. Nur wenige der Teilnehmer_innen in Loughborough waren auch in St. Imier gewesen. Manche wussten gar nicht, dass ein gut besuchtes internationales anarchistisches Zusammentreffen stattgefunden hatte! Die Kommunikation innerhalb der anarchistischen Bewegung ist eindeutig zu vertiefen. Dazu wäre es notwendig über den eigenen Schatten aus Vorurteilen und Dogmatismus zu springen und sich tiefgehender miteinander auseinanderzusetzen.

Das dichte Programm, gespickt mit zahlreichen unglücklichen Überschneidungen, bot inhaltlich durchaus Abwechslung. Utopien gegen die Arbeit, das Verhältnis von Anarchismus und Religion, sowie die Frage, ob Anarchismus „westlich“ sei, und vieles vieles mehr fanden Platz. Die Veranstaltungen selbst wurden jedoch alle in Englisch abgehalten. Insofern der größte Teil der Besucher_innen aus englischsprachigen Ländern kam, trug dies einer gewissen Faktizität Rechnung, dennoch wurde somit Personen aus anderen Regionen die Teilhabe zusätzlich erschwert. Einige Unzufriedenheit war die Folge. Zugegebenermaßen: Übersetzungen sind oft schwer oder unmöglich bereitzustellen, es sei an die Situation in St. Imier erinnert, aber das fehlende Problembewusstsein muss als erstes hergestellt werden. Vielleicht könnten bei zukünftigen Konferenzen einige Veranstaltungen in anderen Sprachen abgehalten werden, um so ein diverseres Angebot zu schaffen.

Eine weitere Schwäche des Programms war, dass sich auf ihm praktisch nur männliche Namen wiederfanden. Dies ist als ein gesellschaftliches Problem zu verstehen, taucht es doch sowohl in der akademischen Umgebung, wie in der anarchistischen Bewegung auf auf. Eine Veranstaltung zu "Feminismus+Gender+Sex" in der „Open Session“ kritisierte diesen Zustand und bot ein Gegengewicht. Für eine Lösung des Problems wird aber wohl noch viel gemeinsame Anstrengung notwendig sein. Dabei ist Geschlecht leider nicht die einzige Linie von Ungleichheit, die schlagend wurde, ähnliches lässt sich über Persons of Color und Personen mit einem proletarischen Hintergrund sagen. Um diese Kritik nicht schief darstehen zu lassen: Laut Angaben einer Person, die schon bei der vorhergehenden Konferenz teilgenommen hat, hat sich die Situation gebessert.

Viele der wichtigsten Momente fanden aber ohnehin abseits des offiziösen Programms statt. Ob es sich nun um den Streit über die Idee des Anarchismus am Frühstückstisch, oder um das Kennenlernen beim Konzert im örtlichen Pub handelte. „Making Connections“ war der Titel der Konferenz und wenn auch nur in einem kleinen, etwas exklusiven Rahmen, es ist gelungen!

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Beiträge und weitere Infos zur Konferenz sollen in naher Zukunft auf der Webseite des anarchist studies network erscheinen.