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Ein, zwei, viele EU-Krisen

Griechenland steckt in der Krise (siehe den Beitrag von Sophilos), doch auch Portugal bekommt weitere Hilfe. 78 Milliarden werden dafür zu je einem Drittel von 26 Milliarden von dem Euro-Rettungsschirm EFSF, dem europäischen Finanzstabilitäts-Mechanismus (EFSM) und dem bekanntlich großherzigen Internationalen Währungsfonds (IWF) bereitgestellt. Auch die Finanzen von Spanien und Irland sind mehr als nur angeschlagen, die Situation ist jedoch nicht gleich katastrophal wie in Griechenland. Doch nicht nur die Staatshaushalte Europas stecken in der Krise, Europa ist überzogen von ein, zwei, vielen EU-Krisen.

 

Eine davon ist mit dem Haushalts-Problem der europäischen Regierungen und den gegenseitigen Hilfeleistungen eng verknüpft: Ein wachsendes Phänomen mit dem Namen „Rechtspopulismus“. Unter diesem Namen werden so unterschiedliche Erscheinungen wie Geert Wilders, die österreichische FPÖ und die französischen Front National zusammengefasst. Eine eigene Kategorie stellt wiederum die Jobbik, welche nicht nur auf Grund ihres Hobbies Romajagd getrost als faschistisch bezeichnet werden kann. Deutschland ist eines der wenigen Ländern ohne starke Kraft dieser Art. Es gibt von Seiten der etablierten Parteien, insbesondere der Union, immer wieder Ausfälle in diese Richtung, ein Pensionssager von Merkel (die TAZ berichtete) und Thilo Sarrazin sind nur zwei Exponenten dieser Kategorie. Deutschland ist kein glückliches verschontes Land, Thilo Sarrazin fand seine Leser_innen und verschiedene Parteiprojekte wie „die Freiheit“ kriechen aus ihren Löchern. Diese nationalistischen Bewegungen sind die stärksten Kritiker_innen der EU-Hilfen, oder zumindest die lautesten, und eben diese autoritären Parteien, welche sich in penetranter Weise Begriffe wie „Abendland“ und „Europa“ aneignen um sie mithilfe rassistischer wie kulturalistischer Essentialisierung umzudeuten, haben jüngst eine neue Krise entstehen lassen: Getrieben von der als rechtspopulistisch beschriebenen DVP, hat die dänische Regierungen entgegen den Schengen-Vereinbarungen wieder Kontrollen an den Grenzen befohlen. Begründet wurde dies mit „Ostbanden“.

 

Da die Kontrollen jedoch selektiv durchgeführt werden, es kann von der rassistischen Methode des „ethnic profiling“ ausgegangen werden, ist diese Krise mittlerweile wieder in den Nachrichtenagenturen versunken. Grenzen und Migration bilden dennoch eine beinahe ständige Krise in der EU. Einerseits werden die Zahlen der Migrant_innen von nationalistischen und konservativen Politiker_innen hochstilisiert bis zu „biblischem“ Ausmaß, andererseits sterben fortwährend Menschen bei dem Versuch die Grenzen illegal zu überqueren. Nicht zuletzt Schuld daran trägt die „europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen“, besser bekannt als Frontex. Immer wieder erschallt der Ruf: „Frontex kills!“ und es finden Protestaktionen wie die Anti-Frontex Days vom 13. Mai bis zum 23. Mai 2011 in Warschau statt. Siehe dazu die spezialisierten Nachrichtenseiten thecaravan.org und no-racism.net. Aber trotzdem wuchs das Budget der Frontex von 6,2 Millionen Euro in 2005 auf ungefähr 88 Millionen in 2011, und auch die Befugnisse von Frontex könnten im Zuge einer Änderung der Schengen-Gesetze erweitert werden.

 

Eine kolportierte Krise ist jedoch vielmehr ein Aufbruch: Die antiautoritären Proteste und Aufstände in Europa. Neben der seit 3 Jahren ständig schwelenden sozialen Revolte in Griechenland (siehe dazu unter anderem diesen Blog-Eintrag von mir) ist nun die Revolutionsstimmung aus Nordafrika nach Spanien gekommen (siehe dazu den Blog-Eintrag von CLS). Dort protestierte eine junge Generation gegen den Raub ihrer Zukunft, doch der Protest hat sich wie ein Lauffeuer ausgebreitet. Migrant_innen, Rentner_innen und immer mehr „Normalbürger_innen“ beteiligen sich an den Kundgebungen, die sich gegen ein korruptes Parteiensystem richten. Dies zeigt sich zum Beispiel an der immerwiederkehrenden Aufforderung bei den anstehen Kommunal- und Regionalwahlen keine Parteien zu wählen, auf deren Listen sich Politiker_innen befinden, die wegen Korruption verurteilt oder angeklagt sind.

 

Natürlich scheint es wahrscheinlich, dass diese Proteste ebenso wie die der vergangenen Jahre befriedet oder niedergeschlagen werden, doch es ist nicht mehr nur eine Krise, es sind viele Krisen. Immer geringer wird die Zufriedenheit mit den staatlichen und marktwirtschaftlichen Lösungen. Was gestern noch unmöglich schien, ist heute Fakt, und was heute unmöglich scheint, ist morgen vielleicht schon real. The Future is unwritten.